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Suche ohne zu finden
Günter Rolf

Foto - Copyright: Günter Rolf

Sucht ist suchen ohne zu finden

Denn ein Kreis ist ein ungeeigneter Weg zu Neuem

In den Schlagzeilen einer Illustrierten verkünden dicke, schwarze Buchstaben:

«Letztes Jahr war ich noch im Gymnasium. An jeder Ecke hier unten stinkt es nach Tod, echt grausig; nur schon um das zu ertragen, brauchst du Dope.» Angela (18)

«Ich gehe nicht mehr nach Hause, es ist besser, ich mach' mich hier allein kaputt, als dass meine Eltern auch noch drauf gehen.» Andreas (23) .

«Ich hör' sofort auf mit fixen, aber nur, wenn man mir etwas Besseres bietet.» Alex (35)

Diese Zeilen lösen Gefühle aus. Je nach aufgezeigtem Schicksal fühlen wir uns betroffen, traurig oder wütend und hilflos.

Was ist Sucht?

Sucht ist ein zeitgeschichtliches Phänomen, welches uns alle angehen und betroffen machen muss, zumal bei 20-25% unserer Bevölkerung eine Suchtsymptomatik vorliegt. Bald einmal wird jede Familie direkt oder indirekt mit der Suchtproblematik in Berührung kommen.

Betrachten wir das Wort «Sucht» etwas näher, so finden wir interessante Zusammenhänge. Im französischen oder spanischen Sprachraum wird dafür der Begriff «toxikomanie oder mania» verwendet. Übersetzt hieße dies Gift, rasender Drang. Im Englischen lesen wir «addiction», was so viel wie «sich hinzufügen und ergeben» bedeutet. Im Deutschen hat der Begriff «Sucht» seine Wurzeln im Wort «Suchen». Zusammenfassend könnte man also «Sucht» wie folgt definieren: ein rasend hingebungsvolles Suchen.

Sucht zeigt sich durch körperliche und seelische Abhängigkeiten. Ein starkes, oft unstillbares Verlangen treibt den Süchtigen, seine «Sache» um jeden Preis erneut zu beschaffen. Das nicht gestillte Suchtverlangen ruft Entzugserscheinungen hervor: innere Unruhe, Nervosität, Schlaflosigkeit, Schwitzen, jucken usw. Es gibt die verschiedensten Suchtarten, die kritiklos miteinander vermengt werden: Drogen (Heroin, Kokain, Amphetamine, Designerdrogen ... ), Medikamente, Alkohol, Nikotin; und im weitergefassten Sinn: Fress-, Mager-, Brechsucht, sexuelle Bindungen aller Art, Perversionen, Fernseh- und Sport-Abhängigkeiten wie auch die Arbeitssucht (Workaholics), Spiel- und Sammelsucht und sogar Rachsüchte werden beschrieben.

Oftmals versucht der Süchtige, sich und andere zu täuschen, indem er Tatsachen so zurechtbiegt, dass er nichts im Leben ändern muss; er weiterhin süchtig sein kann. Bestimmte Suchtarten sind gesellschaftlich sanktioniert. So wird in gewissen Bevölkerungsschichten übermässiger Genuss von Alkohol als Ausdruck von Männlichkeit, und das Autofahren in betrunkenem Zustand als «Kavaliersdelikt» gewertet. Das gleiche gilt für den gesundheitsschädigenden Effekt des Rauchens.

Motive, die zu einem Suchtverhalten führen, sind vielschichtig. Beeinflusst wird es bestimmt durch eigene Persönlichkeits- und Umweltfaktoren. So können zum Beispiel Pubertätskrisen oder broken-home-Situationen eine Rolle spielen. Mangel an Liebe und Geborgenheit treffen besonders hart die sensiblen, empfindsamen Menschen. Der Gedanke der Flucht aus der unerträglichen Realität in eine angenehme Scheinwelt öffnet die Tür zur Sucht. Es ist die Flucht der Betrogenen, Verletzten, Beraubten und Vergessenen auf der Suche nach einer liebevolleren, besseren und gerechteren Gesellschaft, auf der Suche nach Sinn für das Leben. Und es ist eben diese, von maßlosen Ansprüchen überforderte Gesellschaft, welche hilf- und ratlos vor solchen Problemen steht. Diese Hilflosigkeit prägt zurzeit auch unsere europäische Drogenpolitik.

Das Drogenproblem im speziellen

Drogenabhängigkeit ist gemäß Eugen Bleuler - dem Vater der modernen Psychiatrie - gekennzeichnet durch eine psychische und physische Abhängigkeit von einer Substanz mit dem überwältigenden Wunsch, den Konsum in steigender Dosierung fortzusetzen und sich die Droge unter allen Umständen zu beschaffen. Die psychische und physische Wirkung der Droge entfaltet danach ihre zerstörerische Wirkung auf den einzelnen und die Gesellschaft. In der Schweiz gibt es schätzungsweise 20 000 bis 30 000 Fixer, das heißt intravenös spritzende Drogenabhängige - in Deutschland schätzt man 120 000 Abhängige. Diese Zahl erhöht sich jährlich um etwa 10%. Die Hälfte der Fixer ist vom AIDS-Virus infiziert. Es ist heute unbestritten, dass sich AIDS auch durch die Drogensüchtigen ausbreitet. Drogensüchtige stammen aus allen sozialen Schichten, so dass in diesem Sinne nicht von typischen Suchtgefährdeten gesprochen werden kann. Durch ihre Abhängigkeit werden sie unzuverlässig und begeben sich mehr und mehr in eine Lügenwelt.

Was tut der Staat?

Nebst Einrichtungen wie Gassenzimmer und Notschlafstellen wird seit einigen Jahren das trinkbare Opioid Methadon angeboten, was dem Heroin sehr ähnlich ist. Für die Schweiz neu ist der Versuch, in einer ersten Phase an 700 süchtige Menschen das Heroin gratis abzugeben. Diese «Behandlung» wird als medizinisches Forschungsprojekt deklariert und soll helfen, Daten über das Verhalten von drogenabhängigen Menschen zu liefern. Damit können diese «Versuchskaninchen» ihre Drogensucht mit staatlicher Initiative aufrechterhalten. Wenn die klassische Definition von Sucht stimmt, so ist damit jegliche Befreiung und Heilung für die 700 Personen in weite Ferne gerückt, denn wenn die Sockeldosis durch Gratisheroin erhöht wird, so ist die Wahrscheinlichkeit für höhere Gesamtdosen groß. Diese Menschen werden zu zusätzlichem Gift greifen - wie dies auch beim Methadon geschieht. Als Folge wird die Todesrate, Verelendung und Hoffnungslosigkeit zunehmen. Das straffe Datenerfassungsprogramm wird aufgrund der Unzuverlässigkeit der «Projektteilnehmer» nicht eingehalten werden können. In letzter Konsequenz ist dieses Handeln eine Kapitulationserklärung der staatlichen Instanzen und weiter Gesellschaftskreise. Ich bezeichne dieses Gratisabgabeprojekt als «Beerdigung der Hoffnung».

Das Lebensprinzip jedes Süchtigen, im besonderen der Fixer, basiert einerseits auf der unmittelbaren Gegenwart - dem Drang nach neuem Stoff in höherer Dosis - und andererseits auf der Hoffnung auf eine bessere Zukunft: «Eines Tages schaffe ich es weg vom Gift, weg von meinem Mörder.» Diese Hoffnung bleibt, unabhängig davon, wie tief sich die Spirale des Elends bereits gedreht hat. jeder, der mit Süchtigen zu tun hat, begegnet dieser letztendlichen Hoffnung. Sie gleicht der Suche eines Dürstenden in der Wüste nach einer Oase. Diese Hoffnung wird durch Gratisabgaben begraben. Man bietet dem Süchtigen, der um die tödliche Potenz seines Stoffes weiß, mehr davon - allerdings unter einem neuen Namen: Gratissubstitution durch Ärzte mit dem Ziel, die Sucht zu stabilisieren, und die Lebensumstände zu verbessern. Doch gerade von diesem Gift möchte der Süchtige eines Tages loskommen, befreit werden.

Dies bedeutet: Angela wird nie wieder ins Gymnasium zurückkehren; Andreas wird nie mehr nach Hause können, und Alex wird nie etwas Besseres angeboten bekommen. Ihre einzige Hoffnung ist begraben.

Gibt es überhaupt Hoffnung für Süchtige?

Ja. Einer wurde gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen; zerbrochene Herzen zu verbinden; den Gefangenen Freiheit zu verkünden; den Abhängigen Unabhängigkeit zu schenken: Jesus Christus, der Sohn Gottes.

Ihm fühlen sich viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Beratungsstellen, Rehabilitationshäusern, Familien, Wohngemeinschaften, Firmen, Gemeinden, Staatsangestellte sowie Einzelpersonen verpflichtet. Als beratende Ärzte zweier Rehabilitationszentren und eines Gefängnisses erleben meine Frau und ich immer wieder, dass die Heilung drogenabhängiger junger Menschen als Folge einer persönlichen Hinwendung zu Jesus Christus eintrifft. Umgeben von einem liebevollen Team, welches dem Rehabilitanden Zuwendung und Geborgenheit schenkt, datiert zum Beispiel die Entzugszeit nur ein bis drei Tage. Im Gefängnis, wo der Insasse keine solche Betreuung erhält dauert der Entzug doppelt oder dreimal so lang. Ziel der christlichen Rehabilitation ist die ganzheitliche Heilung von Geist, Seele und Körper. Ganz wichtig dabei ist die unmittelbare Nähe des heiligen Geistes. Seine Hilfe ist wichtig bei allen seelsorgerlichen Gesprächen, beim Bibellesen - allein und in Gruppen - und beim Erfahrungsaustausch, wo die Therapieteilnehmer und -teilnehmerinnen über die an sich selbst und anderen festgestellten Veränderungen berichten.

Es versteht sich von allein, dass der Reintegration in den geregelten Alltag eine überaus große Rolle zukommt. Es ist daher wichtig, dass zwischen den Rehazentren wie auch Gemeinden echte Partnerschaft und Brüderlichkeit zum Tragen kommt: «Einer trage des andern Last!» (Galater 6,2) Nur so kann die Wiedereingliederung über das eigentliche Therapiehaus hinaus gewährleistet werden. Es entsteht ein synergistischer Effekt, der sich geistlich und wachstumsmässig zum Guten auswirkt.

In der Rehabilitation wird klar, dass, solange für den therapierten Süchtigen die Sinnfrage nicht beantwortet ist, auch keine Motivation für ein neues Leben da sein kann. Der Glaube an das Evangelium von Jesus Christus löst die Sinnfrage.

An alle: Eltern, Familienangehörige, süchtige Menschen, Obdachlose, Ausgestossene, Erschöpfte und Kranke ergeht die Einladung Jesu: «Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen» (Matthäus 11,28+29).

Wie kann der Laie dem Süchtigen helfen?

Zum Schluss möchte ich einige Zeilen an alle Mitleidenden und Mitbetroffenen von süchtigen Personen richten. Es ist wichtig, dass sie eine Beziehung zum Betroffenen aufrechterhalten. Bauen und vertrauen sie auf die Hoffnung jedes Süchtigen: «Eines Tages schaffe ich es weg vom Gift, weg von meinem Mörder.» Halten Sie sich für diesen Moment bereit. Ermutigen Sie den Abhängigen zu einer Rehabilitationstherapie und begleiten sie ihn dorthin. Eine Liste solcher Häuser in der Schweiz und Deutschland finden Sie in diesem Heft. Rehabilitationszentren haben die Tendenz zu wachsen. Gebraucht wird Wohn- und Arbeitsraum zu günstigen Bedingungen. Unterstützen Sie die Gründung neuer Zentren.

Auch der persönliche Einsatz innerhalb einer Rehabilitations-Station ist eine segensreiche Aufgabe. Sei es als Berater der Mitarbeiter oder in Einsätzen mit den Rehabilitanden: im Betrieb, auf dem Feld oder als Arbeitgeber und Betreuer von jetzigen und ehemaligen Notleidenden.(**)

Betrachten wir die zunehmende Zahl der Suchtgefährdeten, so bleibt viel zu tun. Hören wir Jesus Christus selbst zu diesem Thema: «Was ihr einem von diesen meinen geringsten Geschwistern getan habt, das habt ihr mir getan.» Ich wünsche Ihnen dabei Gottes Segen.

Dr.med. Christian Köppel, CH-Oberweningen, Arzt für Allgemeine Medizin FMH

** Die AfBD (Arbeitsgemeinschaft familiäre Betreuung Drogen- und Suchtgefährdeter), Weissenrainstr. 31, CH-8707 Uetikon am See, Tel. 01‑-920 19 22, will ein Netz von Betreuerfamilien aufbauen. Sie ist eine christliche Organisation unddamit der biblischen Ethik und Moral verpflichtet

aus “geschäftsmann und christ” Nr. 7/8 1994; IVCG Zürich

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