Banner2
Tanz am Abgrund

Mein Leben war zum Kotzen

Die Helligkeit des Tages erfüllt mein Zimmer. Ich sollte aufstehen, doch am liebsten würde ich mich vor mir selber verstecken, unter die Bettdecke kriechen und alles vergessen. Gestern abend war es wieder soweit. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nur zwei belegte Brote zu essen, aber dann ist alles außer Kontrolle geraten. Ein Stück Kuchen, noch eins, Schokolade... und dann der übliche Gang zur Toilette, um alles ungeschehen zu machen.

Heute früh muss ich die Konsequenzen tragen. Natürlich zeigt die Waage nicht mehr Kilos an, aber in meinem Körper rebelliert alles, der Magen scheint sich selbst zu verdauen und die Organe sind müde von der Nachtarbeit. Kann ich jemals wieder normal essen? Während ich mich langsam anziehe, schweifen meine Gedanken zurück in die Vergangenheit.

Aufgewachsen bin ich in Wien, als dritte von drei Schwestern. Meine Mutter brachte bereits ein Kind mit in die Ehe und kurz nach der Heirat wurde Andrea geboren. Zwei Jahre später erblickte ich dann das Licht der Welt.

Wir wohnten am Stadtrand von Wien, wo Vater eine Eigentumswohnung hatte. Leider habe ich nur sehr wenige Erinnerungen an meine frühe Kindheit. Allerdings vergesse ich nicht, dass Vater des Nachts, wenn wir krank waren oder schlecht träumten, an unser Bett kam und uns versorgte. Wahrscheinlich habe ich die Erinnerungen an meine Mutter unbewusst verdrängt, denn als ich acht Jahre alt war, trennten sich meine Eltern.

Bis zu diesem Zeitpunkt war meine Welt noch in Ordnung. Ich war ein fröhliches Mädchen, bewegte mich gerne, war für alles Neue aufgeschlossen und aß gerne all die leckeren Speisen, die mir angeboten wurden. Weil meine beiden Schwestern schlechte Esser waren, freuten sich alle über meinen guten Appetit und förderten ihn. Dadurch war ich natürlich nicht so schlank wie meine Schwestern, aber das störte mich nicht bis auf das eine Mal, als ich wie meine Schwestern einen Minirock tragen wollte. Mein Vater versagte mir den Wunsch mit der Begründung, ich hätte "zu feste Beine".

Das hat mich damals traurig gemacht. Vielleicht erzogen mich meine Eltern unbewusst wie einen Jungen, denn nach den beiden Mädchen hatten sie sich einen Jungen gewünscht. Durch meine unerschrockene, etwas wilde Art wurde dieser Gedanke vielleicht noch gefördert.

Mich selbst störte meine etwas pummelige Figur nicht und so aß ich mit gesundem Appetit weiter.

Hunger nach Geborgenheit

Nach der Trennung meiner Eltern kamen wir Schwestern in ein Internat - in eine private Wiener Klosterschule. Meine Eltern trafen die Vereinbarung, dass wir Kinder am Wochenende abwechselnd von Vater oder Mutter abgeholt werden sollten.

Das Leben im Internat konnte ich gut ertragen. Wir hatten regelmäßige Essenszeiten, Lernstunden, Sportstunden und freie Zeit. Die Nonnen behandelten mich freundlich und bemutterten mich, was ich sehr genoss. Nur eines machte mich sehr traurig: jedesmal, wenn das Wochenende mit meiner Mutter vorgesehen war, saßen wir viele Stunden an der Pforte und warteten vergeblich. Irgendwann bekam dann eine der Nonnen solches Mitleid mit uns, dass sie meinen Vater anrief, der dann sofort kam und uns abholte.

Später wurde meiner Mutter das Besuchsrecht entzogen und sie musste sich jedesmal bei unserem Vater melden, wenn sie uns abholen wollte. Aber das geschah ganz selten, vielleicht zwei Mal im Jahr.

r mich war es damals völlig unverständlich, dass meine Mutter kein Interesse und keine Liebe für ihre Kinder hatte. Vielleicht setzte sich schon damals in meiner kindlichen Seele der Eindruck fest, dass es an mir liegen müsste.

An ein Wochenende mit Mama kann ich mich noch gut erinnern. Sie holte uns ab und wir freuten uns riesig. Dann stellte sie uns ihren zehn Jahre jüngeren Tennislehrer und Freund vor. Wir übernachteten in ihrer neuen Wohnung, lernten Cornflakes und Spaghetti kennen und spürten sehr schnell, dass sie froh war, wenn das Wochenende vorüber war. Sie hatte interessantere Dinge zu tun, als Kinder zu erziehen, Wäsche zu waschen und Zimmer zu putzen. Sie arbeitete als Fotomodell und Moderatorin, organisierte Modeschauen und machte Promotionen in Kaufhäusern. Jetzt konnte sie endlich einmal leben und das tun und lassen, was sie immer schon wollte. Sie heiratete später auch wieder und zog mit ihrem Mann, der in einem Spielkasino beschäftigt war, nach Voralberg.

Ich konnte als Kind diese Zusammenhänge natürlich nicht verstehen und wurde in meinem Inneren zutiefst verletzt.

Nach vier Jahren Internat durften Andrea und ich extern weiter zur Schule gehen. Mein Vater hatte inzwischen eine Wohnung im Zentrum von Wien gemietet und sorgte mit aller Fürsorge, die für einen Vater möglich ist, für uns. Er stand oft um fünf Uhr morgens auf und kochte unser Mittagessen vor. In seiner Tätigkeit als Verkaufsrepräsentant musste er viel unterwegs sein und kam meist erst abends zurück. Ich erinnere mich gut, dass ich oft am Fenster stand und auf die Straße blickte, in der Hoffnung, bald sein vertrautes Gesicht zu sehen. Während ich auf ihn wartete, dachte ich über vieles nach, z.B. über Gott, über den Tod und was passieren würde, wenn Papa einmal nicht mehr nach Hause käme.

Die Schule machte mir keine großen Schwierigkeiten. Eines Tages bekamen wir eine neue Mitschülerin und wir wurden gute Freundinnen. Immer, wenn ich mit Barbara zu ihr nach Hause kam, warteten ihre Mutter und ihre Oma bereits auf sie. Sie wurde liebevoll umsorgt und ein leckeres Essen stand für sie bzw. für uns bereit. Mir machten diese Besuche viel Freude, und doch wurde mir auch schmerzlich bewusst, was mir fehlte.

Bis zu dieser Zeit hatte ich noch eine einigermaßen normale Beziehung zum Essen. Wahrscheinlich aß ich aber anfangs trotzdem übermäßig viel aus Kummer, Frust und Einsamkeit.

In meiner Klasse war ein Mädchen, das die Klasse wiederholen musste und daher schon älter war. Sie erzählte mir einmal während des Turnunterrichts, dass es doch ganz leicht wäre, ein "zu viel" an Essen wieder loszuwerden. Man müsste nur den Finger in den Hals stecken und erbrechen. Auf diese Weise würde man nicht dick werden und niemand würde merken, dass man zu viel gegessen habe. Von diesem Tag an wusste ich, wie man etwas ungeschehen machen konnte, was doch geschehen war.

Es kam die Zeit in der wir auch abends gerne ausgehen wollten. Ausgangspunkt für unsere Aktivitäten waren Treffpunkte wie der „Donnerbrunnen“ oder die Eisdiele in Wien Grinzig. Dort trafen sich Mods, Popper und solche, die es sein wollten. Die Kleidung war hier sehr wichtig. Ganz toll war es, wenn man entweder ein Mofa oder besser noch eine Vespa, oder einen Freund mit einem von beiden hatte.

Hochstimmung mit leerem Magen

Als mein Vater einmal geschäftlich ins Ausland musste, nutzten wir die Freiheit für unseren ersten Disco‑-Besuch. Natürlich hatte ich ein schlechtes Gewissen, denn ich war damals etwa 14 Jahre alt, aber dabei sein war alles. Ein Jahr später durften wir regelmäßig abends weggehen, mussten aber zu einer bestimmten Zeit pünktlich zu Hause sein.

Kurz vor meinem 16ten Geburtstag verliebte ich mich zum x-ten Mal. Diesmal hatte die Beziehung jedoch eine gravierende Auswirkung, denn Martin sagte mir, dass es nicht schaden würde, etwas schlanker zu sein. Von diesem Zeitpunkt an wurde mir das Essen zum Feind. Alles was dick machte, hasste ich. So aß und trank ich für Tage, Wochen, Monate nur noch minimal. Papas vorgekochtes Essen wanderte meist ungegessen in die Toilette. Aß ich es doch, dann erbrach ich, um nur nicht zuzunehmen. Ich begann dicke Menschen zu verachten, liebte es ,leer' zu sein, unabhängig, und war in Hochstimmung, wenn ich nicht aß. Vorerst merkte niemand etwas, nur dass ich innerhalb von einem halben Jahr rapide abnahm. Dann blieb meine Menstruation aus, ich schwitzte kaum noch und hatte Magen-Darm-Probleme, die ich mit immer größeren Mengen Abführmitteln bekämpfte.

Die Beziehung zu Martin, die eigentlich keine war, brachte mich noch mehr in diesen Teufelskreis hinein. Martin war ein "Aufreißer" und ich war zu naiv, um es sofort zu erkennen. Dazu kam, dass ich darunter litt, dass meine Schwester viel weiblicher und attraktiver war als ich. Wo wir auch hinkamen, wurde sie sofort umschwärmt und somit war unser Verhältnis nicht das Beste.

Mode, Model und Meditation

Ich war 17 Jahre alt, als meine Mutter zurück nach Wien zog. Sie war wieder in der Modebranche tätig und gründete eine Firma, die Modeschauen organisierte und durchführte. Mein Vater hatte uns immer vor diesem Milieu gewarnt, doch ich konnte dem nicht widerstehen und zog von zu Hause aus zu meiner Mutter.

Wahrscheinlich war das einer der größten Fehler meines Lebens, denn erstens brach ich Papa, der mich doch so sehr liebte, das Herz. Zweitens brach ich meine Schule ab und konnte daher nicht mehr das Abitur machen und drittens verschlimmerte sich meine Magersucht noch mehr, denn nun wollte ich Model werden.

Angefangen hatte alles damit, dass meine Mutter ein Bild von mir bei einem Wettbewerb zum "Gesicht des Jahres" einsandte. Ich wurde dann angeschrieben und mit 59 anderen Anwärterinnen zu John Casablanca, dem Chef einer amerikanischen Agentur, eingeladen. Dort wurden wir begutachtet und einzelne zur Präsentation ins „Hilton“ eingeladen. Ich wurde zwar nicht "Gesicht des Jahres", aber ich erhielt meinen ersten Job für einen Werbespot.

Damit begann meine Arbeit als Model. Für Modeschauen war ich etwas zu klein, auch wenn ich auf meiner Set‑-Karte etwas schummelte. Ich war nie das Topmodel, dafür war ich zu wenig Persönlichkeit und konnte mich nicht in Szene setzen, wie so manche Konkurrentinnen. Eigentlich war nicht die Makellosigkeit eines Models ausschlaggebend, sondern mehr ihre Präsentation und das Einsetzen ihres Körpers und ihre Ausdrucksfähigkeit.

Natürlich kam ich mir sehr wichtig vor. Endlich war ich jemand und wurde von meinen Freunden angesprochen, dass sie mich im Fernsehen bei dem einen oder anderen Werbespot gesehen hätten.

Meine Mutter befasste sich damals mit Astrologie, Esoterik, Tischerücken usw. Wir lasen viele Bücher über das Leben nach dem Tod, über Engel, Geistwesen, Meditation und besuchten eine "Geistige Loge" in Wien. Meine Mutter war sehr medial veranlagt und verließ sich immer mehr auf Anweisungen aus der Geisterwelt.

In Mamas Modeschautruppe war auch Wolfgang ‑- blond, braungebrannt, sportlich und der Schwarm aller Frauen. Ich weiß nicht warum, aber er interessierte sich für mich und wir waren für einige Zeit befreundet. Durch einen Freund lernten wir eine Gruppe kennen, die sich Sahaja-Jogis nannten. Wolfgang war begeistert und begann regelmäßig ihre Veranstaltungen zu besuchen. Anfangs ging ich mit und sah stundenlang Videos in gebrochenem Englisch von einer Inderin an, welche als Guru verehrte wurde. Auf einem Wochenendseminar wurde mir jedoch klar, dass ich als Katholikin nicht das Bild einer Inderin anbeten und ihr Opfer bringen konnte. So verließ ich die Jogagruppe und die Freundschaft mit Wolfgang löste sich auf.

Meine Mutter startete wieder mal ihre Modeschaureisen. Jeden Tag besuchten wir ein anderes Hotel, im Sommer vorwiegend an den Seen und in Kurorten, im Winter in den Skigebieten. Es war ein lockeres Leben. Wir waren ein Team von 2 bis 4 Models und hatten die "Fetzen" dabei. Jeden Abend spulten wir unsere Modeschau ab und meine Mutter "conferierte", während wir die Kleider vorführten. Das Arrangement war: wir lieferten das Abendprogramm und das Hotel machte Barumsatz, dafür hatten wir Kost und Logie frei. Meistens konnte ich bei den herrlichen Buffets nicht widerstehen, jedoch hatte ich ja meine Methode, von der niemand etwas ahnte.

Als die Geschäfte nach einiger Zeit schlechter gingen, beschlossen wir, uns in Bad Hofgastein sesshaft zu machen. Da ich mich für gesunde Ernährung interessierte, fuhr ich zu dem Gesundheitsapostel Dr. Brucker und absolvierte dort eine Ausbildung als Gesundheitsberaterin. Es ergab sich, dass ich in einem Reformhaus in Bad Hofgastein arbeiten konnte und man sollte meinen, dass ich nun gelernt hätte, wieder normal zu essen, nachdem ich jahrelang gefastet, Unmengen in mich hineingefuttert und schließlich alles wieder ausgebrochen hatte. Doch das war keineswegs so. Nun zwang ich mich, nur gesunde Nahrung' zu essen, obwohl es mir gar nicht schmeckte. Meine Umwelt merkte davon wenig, ich machte viel Sport, war freundlich und fröhlich und alles schien in bester Ordnung zu sein. Aber im Inneren war ich ziellos, hasste mich selbst für meine unkontrollierten Essattacken und suchte nach einem Halt.

Esoterik oder Christus?

Mein nächster Spleen war, eine Heilpraktiker-Ausbildung zu beginnen und so zog ich nach München, suchte mir ein Zimmer und bekam einen Nebenjob in einem Naturkostladen. Nun begann die traurigste Zeit meines Lebens. Ich fühlte mich einsam und verlassen. Meine Bulimie verstärkte sich derartig, dass ich mir in meiner Verzweiflung immer wieder überlegte, wie ich meinem Leben ein Ende machen könnte. Zwar dachte ich oft über Gott nach und betete, aber ich war von den esoterischen Büchern derart durcheinander, dass mein Gottesbild völlig verzerrt war.

Genau in dieser Lebensphase kam Andrea, meine Schwester, aus Wien zu Besuch. Zu meinem großen Erstaunen war sie ganz verändert - so lieb, normal und ausgeglichen und ich wusste: den Frieden, den sie hat, den brauche ich auch. Sie erzählte mir von Jesus Christus und las mir aus der Bibel vor. In meiner Not flehte ich zu Gott, dass er mein Leben ändern und in Ordnung bringen möchte. Es war einfach ein Schreien zu Gott, meinem Schöpfer, ohne das ich verstand, wer Jesus Christus war und was er für mich getan hat.

Nun begann Gott, in meinem Leben aufzuräumen. Zunächst aber wurde mein psychischer Zustand so schlecht das ich meine Ausbildung unterbrach und nach Bad Hofgastein zurückkehrte. Meine Mutter hatte inzwischen wieder einmal geheiratet und ich fühlte mich in ihrer Wohnung ziemlich fehl am Platz. Doch Gott hatte einen Plan mit meinem Leben, auch wenn ich es damals nicht gleich merkte. In meinem kleinen Mansardenzimmer dachte ich viel über mein Leben nach und wenn ich heute in meinen Tagebüchern blättere, die ich damals geschrieben habe, dann staune ich, wie liebevoll Gott mich verändert hat.

Schon bald lernte ich Sabine kennen, die mir von einem Bibelkreis in St. Johann erzählte. So machte ich mich auf und wusste nach meinem ersten Besuch, dass ich hier an dem richtigen Platz war. Peter erklärte uns anhand eines Bibelkurses den Weg zu Jesus. Er sprach darüber, wer und wie Gott ist und das jeder Mensch zu Gott kommen kann wie er ist und ihn um Vergebung seiner Sünden bitten kann. Mir wurde klar, dass der Weg zu Gott nur über das Kreuz auf Golgatha führt, wo Jesus Christus, der Sohn Gottes, stellvertretend die Strafe für unser sündiges Leben getragen und damit den Weg zu Gott freigemacht hat.

Nun war ich bereit mein Leben dem zu übergeben, der schon lange auf mich gewartet hatte. Ich gab mein selbsterdachtes Gottesbild auf und legte allen Stolz und Hochmut, die ich korpulenten Menschen gegenüber empfunden hatte, ab und bekannte Gott meine Sünden.

Als ich ein halbes Jahr später nach München zurückkehrte, um meine Ausbildung fortzusetzen, bekam ich die Adresse einer christlichen Gemeinde und besuchte sie gleich am ersten Sonntag.

Bedingungslos geliebt

An diesen ersten Besuch kann ich mich noch gut erinnern. Die Freundlichkeit, Liebe, Offenheit und Herzlichkeit gaben mir das Gefühl: "Hier wirst du geliebt, wie du bist, hier musst du nicht schlank, schön und lustig sein, um geliebt zu werden."

Rainer - mein späterer Ehemann - sah mich an diesem Tag zum ersten Mal und wusste, dass ich seine von Gott bestimmte Frau war. Da ich noch so viele Probleme mit mir hatte, wurden Rainers Geduld und Vertrauen hart geprüft und erst ein halbes Jahr später konnte ich seine Zuneigung erwidern.

Bald lernte ich bei meinen Besuchen in dieser Gemeinde auch eine Frau kennen, die jahrelang an Bulimie gelitten hatte und war so froh, dass sie alle meine Nöte, Ängste und Probleme verstehen konnte. Die vielen Gespräche mit ihr halfen mir nicht nur, meine Essprobleme zu bewältigen, sondern sie war mit ihrem Leben ein wunderbarer Beweis, dass Gott ein kaputtes Leben heilen kann. Das gab mir Mut in Zeiten der Resignation und der scheinbaren Rückschritte. 1990 heirateten Rainer und ich und einige Monate später wurde ich schwanger.

Die Schwangerschaft war für mich eine schreckliche Belastung, denn nun musste ich akzeptieren, einen dicken Bauch zu bekommen. Natürlich freute ich mich über ein Kind von dem Mann, den ich liebte, aber ich hatte Angst, dass Rainer mich mit einem dicken Bauch nicht mehr lieben würde. Bis zum Tag der Geburt versuchte ich, meinen Bauch zu verstecken.

Meinem Mann Rainer gegenüber empfinde ich eine tiefe Dankbarkeit, denn er ermutigte mich und machte mir das Wort Gottes lieb. Die gemeinsamen Gebete halfen mir mehr und mehr, von falschen, selbstzerstörerischen Gedanken loszukommen.

Drei Jahre später wurde ich wieder schwanger und Gott schenkte uns nach Philipp noch Matthias. Der durch die Kinder bedingte Tagesablauf stellte sich für mich als ideal heraus. Die regelmäßige Einnahme der Mahlzeiten war mir eine große Hilfe. Anfangs musste ich mich zwingen, drei Mal täglich zu essen Aber auch wenn ich keinen Hunger hatte, ließ ich das Frühstück nicht aus. Damit verhinderte ich einen abendlichen Heißhungeranfall.

1995 kam unsere Tochter Hanna zur Welt und vier Wochen nach ihrer Geburt zogen wir in die Heimat meines Mannes, ins Berchtesgadener Land, wo wir auch heute noch wohnen.

Und nun - Jahre später - stellt sich natürlich die Frage, ob mein Wunsch in Erfüllung gegangen ist, einmal wieder normal essen zu können. Es ist schwer für mich zu beurteilen., ob die Essensmengen "normal" sind, die ich zu mir nehme, auf alle Fälle habe ich wieder ein Hunger- und Sättigungsgefühl. '

Meine Nahrungsaufnahme mache ich nicht mehr von der Waage abhängig, auf die ich mich früher stündlich stellte. Die Waage steht seit einigen Jahren im Keller und ist sicherlich schon ganz verstaubt. Meine Stimmungen sind weitgehend davon unabhängig, ob ich wenig oder viel, gegessen habe. Ich ernähre mich gesund, habe aber auch gelernt mir Süßes zu gönnen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

Ich möchte aber nicht verheimlichen, dass es ein langer Weg in die Freiheit ist, bei dem ich täglich auf die Gnade und Hilfe Gottes angewiesen bin. Immer noch bin ich gefährdet, auf Probleme, Ängste, Niederlagen und Sorgen mit einem veränderten Essverhalten zu reagieren. Doch erkenne ich deutlich, dass Gott mit meinem Leben ein Ziel hat und dass ich der Befreiung von meinen falschen Gedanken und meinem falschen Verhalten immer näher komme.

Ich bin Gott von ganzem Herzen dankbar für die Möglichkeit einer solch nachhaltigen Befreiung. Manchmal frage ich mich, was aus mir geworden wäre, wenn ich die ausgestreckte Hand Gottes nicht erfasst und seine bedingungslose Liebe nicht kennengelernt hätte.

Quelle: Tanz am Abgrund“ erschienen im CLV-Verlag Lebensgeschichte von Eva Reiter

 

Home   Beratung   Lebensthemen   Links   Kontakt 

zurück

Impressum