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Lebenslügen

Schluss mit den Lebenslügen!

Der Weg zu einem befreiten Leben­

Wie können wir auch dann zufrieden und gelassen leben, wenn manches nicht so ist, wie wir das gerne hätten? Wenn wir mit Schwierigkeiten, Problemen und leidvollen Erfahrungen umgehen müssen? Bei der Beschäftigung mit dieser Frage bin ich auf ein Gebet gestossen, das eine tiefe geistliche Wahrheit beinhaltet:

Herr, gib mir die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Verleihe mir den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und schenke mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Wer der Verfasser dieser Worte ist, ist nicht eindeutig geklärt, es ist auch nicht so wichtig. Wichtig ist allein der Inhalt, der in seiner knappen Form das Wesentliche beinhaltet, um unsere unruhigen Herzen zur Ruhe zu bringen.

Sven Muschel

Fotocopyright: Sven und Alexandra Nebenführ

In unserem Leben geschehen Dinge, auf die wir keinen Einfluss haben: ein Unfall, eine schwere Krankheit, der Verlust eines lieben Menschen, das Fremdgehen des Ehepartners, Ehelosigkeit oder ähnliche unabänderliche Situationen.

Das Gebet um Gelassenheit meint nicht, die Trauer über solche Verluste nicht zuzulassen oder das Leid zu verleugnen. Die Trauer ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Heilung. Aber wenn wir Gott unser Herz ausschütten, unseren Kummer bei ihm abladen, werden wir merken, dass wir mit der Zeit unser Los annehmen können und allmählich durch die Tränen wieder anfangen zu lächeln.

Ohne Zweifel ist der Weg zur Gelassenheit schwer. Aber indem wir eine unabänderliche Situation vertrauensvoll in Gottes Hände legen, schauen wir über unsere Möglichkeiten hinaus und rechnen mit der Macht eines Stärkeren. Und wir werden erleben, dass der Herr selbst unseren Schmerz lindern und uns Frieden und Gelassenheit schenken wird.

Vermehrte Aufmerksamkeit möchten wir nun aber der zweiten Bitte schenken:

«Verleihe mir den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann.»

Normalerweise bemühen wir uns eher, Dinge, die wir nicht ändern können, umzupolen. Wir lehnen uns auf, wollen mit dem Kopf durch die Wand und würden alles tun, um den Schmerz zu verringern.

Aber dort, wo wir Dinge tatsächlich ändern könnten, versuchen wir es mit Ausweichtaktiken, um unseren Charakterschwächen nicht ins Auge sehen zu müssen. Es schmerzt und beunruhigt uns tief, wenn wir konfrontiert werden mit unserem Macht- und Geltungsstreben, mit Neid, Stolz, dem aufbrausenden Temperament oder der Rechthaberei. Viel lieber beharren wir auf so genannten Lebenslügen. Wir gaukeln uns selbst vor, unsere Motive seien rein, unser Streben selbstlos und gut. Die Folge davon ist, dass wir andere kritisieren und ihnen die Schuld geben, wenn es in den Beziehungen nicht klappt. Wir sind überzeugt, wenn Gott den andern ändern würde, wäre alles in Ordnung. Man sieht sich nur als Opfer. Dadurch verzerren sich das Denken und die Selbstwahrnehmung. Lebenslügen und Persönlichkeitsstörungen gehen meistens Hand in Hand.

Solange wir nicht bereit sind, uns ehrlich im Lichte Gottes zu prüfen, werden wir keine innere Veränderung erfahren. Dazu gehört, auf Freunde, Geschwister oder den Ehepartner zu hören, wenn sie unser Verhalten tadeln, denn uns fehlt oft der objektive Blick auf unsere offensichtlichsten Charakterschwächen. Die Selbsttäuschung ist ein grosses Problem. Das Wissen um Gottes Liebe hilft uns, die dunklen Seiten unseres Wesens aufdecken zu lassen. Seiner Liebe und Annahme dürfen wir sicher sein.

Der Realität ins Auge blicken

Am Anfang eines veränderten, befreiten Lebens müssen immer die Erkenntnis einer Fehlhaltung und das konkrete Zugeben der Schuld stehen. Wir müssen uns der Wahrheit stellen. Wir leben nicht frei, bevor wir nicht frei von uns selbst sind. Schauen wir deshalb in den Spiegel Gottes, um die Abgründe unserer Gedanken und unseres Herzens zu erkennen. Bekennen wir dem Herrn, was falsch läuft in unserem Leben und erlauben wir dem Heiligen Geist, der in uns wohnt, uns zu verändern!

Wenn wir versuchen, mit Willensstärke die negativen Charakterzüge auszumerzen, werden wir kläglich scheitern. Vorübergehend mag es nach aussen hin eine Besserung geben, aber der eigentliche Zustand unseres Herzens wird über kurz oder lang sichtbar. Das Vertrauen auf die eigene Kraft verhindert echtes geistliches Wachstum.

Dort wo wir Dinge tatsächlich ändern könnten, versuchen wir es mit Ausweichtaktiken, um unseren Charakterschwächen nicht ins Auge sehen zu müssen. Es schmerzt und beunruhigt uns tief, wenn wir konfrontiert werden mit unserem Macht- und Geltungsstreben, mit Neid, Stolz, dem aufbrausenden Temperament oder der Rechthaberei. Viel lieber beharren wir auf so genannten Lebenslügen. Wir gaukeln uns selbst vor, unsere Motive seien rein, unser Streben selbstlos und gut.

Es ist wie gesagt nicht einfach, sich von den eigenen Lebenslügen abzuwenden und dem Herrn die leeren Hände entgegenzuhalten. Aber es ist der einzige Weg zur Befreiung.

Wir müssen den Selbstrechtfertigungen absagen, den Ausreden, mit denen wir uns zu schützen versuchen. Wir müssen wahr werden - vor uns, vor Gott und vor anderen.

«Ich kann nicht aus meiner Haut!»

Eine dieser Lebenslügen, die uns der Feind Gottes immer wieder suggeriert, ist die Meinung, wir müssten so reagieren und handeln, wie wir das tun. Wer aus Wut ausrastet und andere beschimpft, nimmt gern zu dieser Ausrede Zuflucht. Wenn schon der Grossvater jähzornig war und auch der Vater in gleicher Weise reagierte, muss es ja in den Genen liegen. Man gesteht sich nicht ein, dass diese Reaktionsweisen schon früh abgeschaut, übernommen und programmiert wurden, so dass sie in bestimmten Situationen automatisch ablaufen. Jeder Mensch hat auf seine eigene Art erlernt, wie er mit Ärger umgeht.

Wenn wir uns ärgern, entsteht in uns ein Spannungszustand. Es gibt Menschen, die schlucken ihren Ärger stets hinunter und schaufeln sich damit ihr eigenes Grab. Die Folgen sind unter anderem erhöhter Blutdruck und die Zunahme des schädlichen Cholesterins.

Andere wiederum lassen ihren Aggressionen ungehemmt freien Lauf.

Dass wir uns ärgern, ist unvermeidlich. Nicht aber, wie wir darauf reagieren. Mit aggressiv geäussertem Ärger will man den andern einschüchtern, demütigen oder bestrafen.

Gottes Wort fordert uns immer wieder auf, Busse zu tun. Das heisst nichts anderes, als seine Gesinnung zu ändern und andere Reaktionsweisen einzuüben. Wäre uns dies unmöglich, würden wir nicht von Gott dazu aufgefordert. Wir haben die Wahl, ob wir unsere Augen vor der Wahrheit verschliessen und die alten Reaktionsmuster beibehalten, oder ob wir uns mit Gottes Hilfe neue Denk- und Verhaltensmuster angewöhnen wollen.

Keine Veränderung ohne Bereitschaft

Von David heisst es, er sei ein Mann nach dem Herzen Gottes gewesen. Nun wissen wir alle, dass seine Biografie etliche brandschwarze Flecken aufweist. Er war nicht nur ein Ehebrecher, sondern auch noch ein Mörder. Wie kommt er also trotzdem zu so einer Auszeichnung?

Ein Grund dafür ist bestimmt die schonungslose Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und Gott. In seinen Psalmen lesen wir etwas von seinem Umgang mit der Sünde. Er brauchte keine Ausreden, sondern nannte die Dinge beim Namen. Nichts lag ihm mehr am Herzen, als wieder mit seinem Gott im Reinen zu sein. So bat er den Herrn, ihm auch die verborgenen, verbogenen Einstellungen aufzuzeigen:

«Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne meine Gedanken. Zeige mir, wenn ich auf falschen Wegen gehe, und führe mich den Weg zum ewigen Leben» (Psalm 139,23-24).

Das sollte das Gebet eines jeden Christen sein. Sind wir bereit, unseren Lebenslügen ins Auge zu sehen oder halten wir an unserem Ich-Ideal fest? Dem Stolz des Herzens? Dann führt kein Weg heraus aus dem Dunkel. Gott möchte uns aber den Weg aus seelischen Störungen zeigen und uns zu einem befreiten Leben verhelfen, das ihn ehrt.

«Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht

Wir alle kennen diesen Kampf, der in jedem Christen tobt. Warum leben wir in diesem Dilemma? Wir alle wurden mit einer sündigen Natur geboren. Das unselige Verlangen unserer Ureltern, «wie Gott» zu sein, klebt an uns. Wir möchten mehr sein, als wir sind. Das ist der Grund, wieso wir so krampfhaft bemüht sind, uns ins rechte Licht zu rücken, und es vermeiden, den wahren Motiven ins Auge zu sehen. Wir haben alle eine Ahnung davon, wie wir sein sollten. Es gehört zum Menschsein, dass wir uns in allen Bereichen nach Vollkommenheit sehnen. Dies hat etwas mit der Ebenbildlichkeit Gottes zu tun, in der wir erschaffen wurden. Es gab eine Zeit, da stand über allem Geschaffenen ein «Sehr gut». Die ganze Schöpfung war ohne Makel. Für diese perfekte Welt waren wir geschaffen. Gott hat auch den Menschen in Vollkommenheit geschaffen, aber seit dem Sündenfall leben wir in einer andern Wirklichkeit.

Es war nie Gottes Absicht, dass wir an uns selbst und an andern leiden. Wir spüren unsere Begrenztheit, spüren Ablehnung statt Annahme, Neid statt ein Mitfreuen. Wir machen uns Sorgen, statt uns geborgen und sicher zu fühlen. Deshalb versuchen wir uns zu schützen.

Seit dem Sündenfall leben wir in dieser Welt, in der nichts mehr so ist, wie es einmal war.

Wir haben unsere Bedeutung, unsere wahre Bestimmung verloren. Tief in uns ist die Sehnsucht nach Vollkommenheit verankert. Doch wir erleben uns als schwach und unvollkommen. Diese Trennung von Ideal und Wirklichkeit ist eines der grössten Probleme von Christen. Manche meinen, sie müssten als Christ vollkommen sein. Dabei kamen sie doch zu Christus, weil sie Sünder sind und Vergebung und Annahme brauchten.

Hoffnung auf Veränderung gibt es nur dort, wo wir begreifen, dass Gnade die Antwort ist auf das Dilemma des Ideals mit der Wirklichkeit. Wenn wir aus uns selbst Perfektion anstreben machen wir uns und andern das Leben zur Hölle. Jesus Christus hat unsere Schuld getra­gen. Das ist die Ausgangslage eines jeden, der das Geschenk der Vergebung ange­nommen hat. Wir sind angenommen. Wir haben es nicht mehr nötig, Masken zu tragen, um unser wahres Ich zu ver­bergen.

Die Bibel verurteilt unseren Hang, unsere Schlechtigkeit zu leugnen, mit aller Schärfe, denn dahinter verbirgt sich die Sünde des Stolzes. Unmissverständlich sind die Worte Jesu an die Pharisäer:

«Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr die Becher und Schüsseln aussen reinigt, innen aber sind sie voller Raub und Gier! Du blinder Pharisäer; reinige zuerst das Innere des Bechers, damit auch das Äussere rein wird! Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr seid wie die übertünchten Gräber, die von aussen hübsch aussehen, aber innen sind sie voller Totengebeine und lauter Unrat!» (Matthäus 23,25-27).

Wer Gefühle des Neids, der Eifersucht oder Wut verdrängt oder leugnet, weil sie nicht sein dürfen, ist unfrei. Das Verdrängen der Wirklichkeit führt zu Depressionen.

Viele Angststörungen haben darin ihren Grund. Manche reagieren mit Panik, wenn irgendetwas Negatives an die Oberfläche kommt oder wenn sie glauben, jemand anderes könne eine negative Seite an ihnen sehen. So konzentrieren sie sich mit aller Kraft darauf, ein idealisiertes Bild von sich zu zeigen, und verlieren dabei ihr wirkliches, echtes Ich. Wenn Menschen ihre sündhaften Denkmuster nicht zugeben wollen, finden sie keine Lösung für ihr anklagendes Gewissen. Sie erleben keine Annahme und plagen sich mit ihrer Schuld. Alle Gedanken kreisen nur um die negativen Gefühle und die daraus resultierenden Probleme. Zwar stimmen sie der allgemeinen Tatsache zu, dass sie Sünder sind, aber sie stehen nicht zu konkreten sündhaften Gedanken und Verhaltensweisen.

Gottes Wort zeigt uns zwei Prinzipien: Das erste ist, dass wir in Gottes Bild geschaffen wurden und einen unermesslichen Wert haben, weil ER uns liebt. Das zweite ist, dass wir gefallen und verderbt sind und Erlösung brauchen. Es ist nicht nur Gottes Absicht, uns durch das Kreuz vor der Verlorenheit zu bewahren, sondern auch, die zerbrochene Gottesebenbildlichkeit wieder herzustellen. In seinem Brief an die Römer schreibt Paulus:

«Denn die er ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dass sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern» (Römer 8,29).

Noch eine Lebenslüge: «Ich bin nichts wert!»

Viele Menschen leiden unter der Annahme, sie seien nicht liebenswert. Sie erkennen nicht, dass «Liebens-Würdigkeit» auf dem beruht, der liebt, und nicht auf dem eigenen Verdienst. Niemand verdient Liebe. Sie ist ein Geschenk. So sind wir wertgeachtet, weil wir von Gott geliebt sind. Wenn ein Christ sagt: «Ich bin nichts wert», ist das pseudofromme Demut.

Es gibt wohl keinen Menschen, der nicht schon mal mit Minderwertigkeitsgefühlen gekämpft hat. Problematisch wird es dann, wenn dieses Gefühl der Minderwertigkeit zum Lebensmotto wird. «Sie badet im Selbstmitleid», sagen wir und meinen damit, dass die oder der Betreffende zwar leidet, den Schmerz aber irgendwie auch geniesst. Das Selbstmitleid lässt uns jammern, wann immer wir unzufrieden sind. Selbstmitleid ist immer gekoppelt mit Unzufriedenheit. Man sieht nur sich selbst und seine Probleme. Wenn wir unsern Wert nicht aus der Annahme Gottes beziehen, schleichen sich Selbstzweifel und Selbstmitleid ein. Man fühlt sich klein, benachteiligt und übersehen. Wann immer wir anfangen zu klagen, wird die Seele nach und nach davon überwältigt. Der Geist der Klage führt zu Depressionen und trennt uns von Gott. Durch das Murren verlieren wir die Freude. Selbstmitleid ist eine äusserst destruktive Lebenseinstellung. Sie geht Hand in Hand mit dem Vergleichen und weckt Neid. Die andern sind intelligenter, schöner, beliebter ...

Chouchana Z.

Fotocopyright: Chouchana Z.

Es ist nicht unbedingt eine Lebenskrise, die uns unsere Zufriedenheit raubt, sondern das Vergleichen. Es beginnt gewöhnlich mit den Worten:

=> «Wenn doch nur ... » Dies ist die Sprache der Unzufriedenheit.

=> « Wenn ich doch nur so hübsch wie Alice wäre ... »

=> « Wenn ich doch nur verheiratet wäre ... »

=> «Wenn ich doch einen liebevolleren Mann, wenn ich nur begabtere, folgsamere        Kinder hätte ... »

=> « Wenn ich doch einen besseren Job, mehr Geld hätte ... »

=> « Wenn ich doch so intelligent wäre wie Hanna oder so beliebt wie Lea ... »

=> « Wenn ich doch nur im Sport mit den andern mithalten könnte ... »

=> « Wenn ich doch nur keine Cellulitis an den Oberschenkeln hätte ...»

Wer dieses «Wenn-ich-doch-Denken» kultiviert, wird zwangsläufig unglücklich. Er klagt Gott und die Welt an, mag sich nicht leiden und traut sich nichts zu. Er zweifelt an Gottes Liebe und seiner Führung.

Zufriedenheit hängt in Wirklichkeit nicht von äusseren Umständen ab, seien sie gut oder schlecht. Paulus ist uns dafür ein eindrückliches Beispiel. Er sagt: «Ich habe gelernt, mir genügen zu lassen, wie's mir auch geht» (Philipper 4,11). Gefangen, an einen Wächter gefesselt, den Tod vor Augen, schrieb er diese Worte, die davon sprechen, dass Zufriedenheit allein in Christus zu finden ist. Paulus hatte gelernt, das zu akzeptieren, was Gott zuliess, und das zu ändern, was er ändern konnte. «Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn», sagt er und zeigt uns damit den Weg zu Frieden und Gelassenheit. Wenn wir den Kompass unseres Lebens auf den Herrn ausrichten, wird uns keine Erschütterung vom göttlichen Kurs abbringen. Weder perfekte Umstände noch ein anderer Mensch können uns letztlich echte Zufriedenheit geben. Wir erleben nur dann Ruhe und Gelassenheit, wenn wir uns an Jesus binden und er im Zentrum unseres Willens steht. Wenn wir ein bewusstes ja haben zu den Führungen Gottes, werden wir erleben, dass auch Lasten, die wir zu tragen haben, uns nicht willkürlich auferlegt wurden, sondern in Gottes gutem Plan sind. So hörten die Wächter, die an Paulus gekettet waren, von dem befreienden Evangelium. Sie sahen Paulus äusserlich gebunden, innerlich aber frei, sodass sie sich fragen mussten, wer hier eigentlich der Gefangene war.

Als ich kürzlich einen Bandscheibenvorfall hatte und notfallmässig mit grossen Schmerzen ins Spital musste, kapierte ich anfangs nicht, wozu das gut sein sollte. Aber im Bett neben mir lagen Frauen, die keine Antwort wussten auf die Bedrohungen und Ängste des Lebens. ich durfte ihnen von Jesus erzählen, der uns Frieden und Ruhe geben kann, was immer auch geschieht.

Gott weiss, was er tut! Je mehr wir von uns selbst wegsehen und mit den Möglichkeiten Gottes rechnen, desto gelassener werden wir je mehr wir ihm in unserem Denken Raum geben, indem wir ihm danken und ihn loben, desto froher werden wir sein.

Gesunde Selbstachtung

Der Dirigent Karl Böhm antwortete auf die Frage «Was ist Glück?»:

«Glück ist wie ein Massanzug. Unglücklich sind meistens die, die den Massanzug eines anderen tragen möchten.»

Treffender könnte es nicht ausgedrückt werden. Wir werden nur dann zufrieden sein, frei von Minderwertigkeitsgefühlen und Neid, wenn wir den «Massanzug» bejahen, den Gott uns bereitet hat, wenn wir dankbar sind für unser Sosein, weil Gott uns so gemacht hat. Ein gesundes Selbstvertrauen ist die Basis für ein zufriedenes Leben. Das bedeutet nicht, auf seine eigenen Stärken und die eigene Kraft zu bauen. Wenn der Herr nicht Mittelpunkt unseres Lebens ist, werden wir selbstsüchtig und selbstherrlich. Eine gesunde Selbstachtung bezieht ihre Würde aus der Zuwendung Gottes in Christus. Weil er uns liebt, gibt er uns Würde, Wert und Bestätigung. Wir werden geliebt, ohne Verdienst, ohne Kraftanstrengung. Wenn wir dieses Wissen verinnerlicht haben, fühlen wir uns nicht minderwertig.

Der Grundstein für Minderwertigkeitsgefühle wird oft schon in der Kindheit gelegt. Das Kind, das den Eindruck hat, die Liebe und Annahme der Eltern hänge von seiner Leistung ab, wird seinen Wert davon abhängig machen, ob es erfolgreich ist oder nicht. Der Satz: «Nur wenn du etwas leistest, wirst du geliebt», wird zum prägenden Element. Kinder, die immer heruntergemacht und nicht ernst genommen werden, reagieren verunsichert. Sie haben auch später das Gefühl, nicht zu genügen. Wer so denkt, jagt entweder dauernd einem Ideal nach oder resigniert. Man strebt entweder nach Perfektion, oder man kapituliert.

Wenn Eltern ihr Kind rückhaltlos bejahen, ernst nehmen, ermutigen und fördern, verhelfen sie ihm zu einem gesunden Selbstvertrauen. Wenn sie hingegen ständig mit negativer Kritik, Befürchtungen und pessimistischen Erwartungen aufwarten, wenn sie immer den Finger auf die Schwächen und Defizite legen, wird das Kind dies auf alle seine Leistungen und auf seinen gesamten Wert beziehen. Die Aufgabe der Eltern ist vielmehr, dem Kind zu helfen, sich den Herausforderungen zu stellen und Schwierigkeiten zu überwinden.

«Durch Gottes Gnade was ich bin.»

Von Marc Aurel, dem römischen Kaiser und Philosophen, stammt die bemerkenswerte Aussage: «Nicht die Tatsachen bestimmen unser Leben, sondern wie wir sie deuten.» Das, was wir über uns und über Gott denken, bestimmt unsere Einstellung zum Leben. Wenn wir uns nichts zutrauen, werden wir auch nichts zustande bringen. Wenn wir uns hingegen als geliebte Kinder Gottes verstehen, werden wir im Vertrauen auf seine Gegenwart und Kraft das  anpacken, was zu tun ist.

Menschen mit Minderwertigkeitsgefühlen wirken unecht. Sie zeigen nur ihre Schokoladenseite, weil sie Angst haben, abgelehnt zu werden, wenn andere ihre Schwächen und Begrenzungen sehen. Sie müssen sich ständig und überall beweisen. Durch übertriebenen Ehrgeiz will man sich Lob und Bestätigung einhandeln. Man will allen gefallen, ist sehr empfindlich und redet den Leuten nach dem Mund. Auch hier gilt es wieder, in den Spiegel Gottes zu sehen und die Motive für das Versteckspiel zu durchschauen. Solange ein Mensch versucht, an seinem Ich herumzupolieren und mehr zu sein, als er ist, findet er nie zu seiner eigentlichen Identität. Wenn er meint, irgendeinem Bild entsprechen zu müssen, leidet er an sich selbst und reibt sich in seinem Bemühen wund. Er weiss nicht, was es heisst, in dem zu ruhen, was Gott in Christus für ihn getan hat.

«Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin», schreibt Paulus an die Korinther und zeigt damit eine natürliche Selbstachtung. Er weiss, wer er ist und was er kann, gleichzeitig aber macht er deutlich, dass er das alles nur durch Gottes Gnade ist. Diese Selbsteinschätzung zeugt von der Reife eines von Christus erneuerten Menschen. Er kann sich mit seinen Gaben und Begrenzungen bewusst annehmen und Gott dafür danken.

Kursänderung

Wenn wir in den Spiegel Gottes schauen, wenn wir zulassen, dass unsere wahren Gedanken, Überzeugungen und falschen Motive in unser Bewusstsein dringen, werden wir zuerst einmal erschrecken. Wir werden uns fragen: Ist Veränderung möglich?

Ist es möglich, die fest einprogrammierten falschen Denkmuster und das daraus resultierende zerstörerische Verhalten abzulegen?

Paulus lässt daran keinen Zweifel, wenn er uns auffordert: «Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene» (Römer 12,2). Als Christen sind wir nicht mehr Gefangene unserer negativen Verhaltensweisen. Christus hat uns befreit von der Macht der Sünde.

Wir haben die Freiheit zu entscheiden, wie wir reagieren. Wir haben die Wahl, ob Ehrgeiz und Konkurrenzstreben unser Leben bestimmen.

Wir haben die Wahl, ob wir uns weiter vergleichen und mit Neid auf den andern blicken, oder ob wir unser Sosein dankbar annehmen.

Wir haben die Wahl, ob wir uns weiter für minderwertig halten oder ob wir uns aufrichten und die Würde eines von Gott geliebten Kindes in Anspruch nehmen.

Wir haben die Wahl, ob wir Groll und Bitterkeit in unserem Herzen Raum geben, oder ob wir dem vergeben, der uns gekränkt, verletzt oder übervorteilt hat.

Wir haben die Wahl, ob wir das Wertesystem unserer Gesellschaft übernehmen oder ob wir uns nach dem richten, was uns Gottes Wort sagt.

Weil wir in Christus neu geworden sind, wollen wir das ablegen, was uns hemmt und beschwert. Wir wollen alte Verletzungen nicht länger in unseren Gedanken dulden, uns nicht mehr länger mit der Schuld anderer an uns beschäftigen. Wir wollen die Selbstvorwürfe, die Enttäuschungen und das Versagen von uns tun. Nicht verdrängen, sondern ablegen unter dem Kreuz, bei dem, der versprochen hat, unsere Schuld zu vergeben und sie im tiefsten Meer zu versenken.

Im Propheten Jesaja lesen wir, wie Gott versprochen hat, sein Volk, das in Babel in der Gefangenschaft lebte, zu befreien.

Dieser Text ist auch eine Verheissung für die, die Christus zum Zentrum ihres Lebens machten:

«Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde» (Jesaja 43,18-19).

Gott will die Ketten zerbrechen, die wir uns selbst angelegt haben. Er will uns herausführen aus den Ängsten, den Unsicherheiten. Er möchte uns befreien von Hass und Groll, vom Streben nach Geltung, von Minderwertigkeitskomplexen und dem Selbstmitleid, damit wir befreit leben und ihm dienen können. Nichts soll uns gefangen nehmen. «Zur Freiheit hat uns Christus befreit», sagt Paulus. Das ist die Bestimmung eines jeden Christen. Öffnen wir deshalb die Fenster unseres Herzens weit, damit das Licht auch das Verborgene sichtbar machen kann und wir frei werden von den Lebenslügen, die uns knechten, quälen und unbrauchbar für Gott machen.

aus: “ethos, die Zeitschrift für die Familie”, 7/2006, www.ethos.ch

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