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Ich habe Angst

Mensch sein und Angst haben

Leben - also auch menschliches Leben - ist gefährdet, solange es besteht. Doch den lebensbedrohenden Gefahren sind wir nicht schutzlos ausgeliefert. Wir sind von Natur aus mit einem Sicherheitssystem ausgerüstet, das bei Gefahr "Warnlichter" im psychischen und / oder im körperlichen Bereich aufleuchten lässt. Solche Warnmechanismen sind: Schmerz, Hunger, Müdigkeit und Angst.

Angst hat eine wichtige lebensbewahrende Funktion, auch wenn wir sie als störend, beengend und scheinbar lebensfeindlich erfahren. Sie will uns zeigen: "Du bist in Gefahr!" Sie will uns dazu bringen, etwas zu tun, um die Gefahr abzuwenden; wir sollen die Richtung ändern, damit wir nicht in unserem Beharrungsvermögen der Zerstörung gerade in den Rachen laufen.

Gefahr kann von außen und von innen kommen. im Laufe unserer Kindheit haben wir gelernt, Gefahren zu erkennen und darauf zu reagieren. Das gilt besonders in Bezug auf äußere Gefahren.

Bei den Gefahrenherden in unserer Persönlichkeit scheinen wir es viel schwerer zu haben zu erkennen, wo unsere Einstellung zu uns selbst und zu anderen, wo unser Verhalten und Vermeiden uns in ernstliche Gefahr bringen,

Unsere Ängste wollen uns beides anzeigen, die äußere und die innere Gefahr. Wir sollten auf sie hören, wenn uns unser Leben lieb ist.

Angst wird verschieden erlebt

Ängste, Angstauslöser, Angstreaktionen sind so verschieden, wie die Menschen es sind. Es ist nicht so wichtig, dass ich ganz allgemein Bescheid weiß über die Angst oder dass ich Ängste anderer Menschen beobachte. Ich sollte meine Angst kennen lernen, sie verstehen lernen und die Schritte tun, die für mich notwendig und möglich sind. Fragen wir also ganz persönlich:

¨ Was macht mir Angst? In welchen Situationen befällt mich die Angst regelmäßig?

¨ Was spüre ich dabei körperlich? Engegefühl, Herzklopfen, Veränderung der Atmung, Schmerzen (in welchen Regionen?), Trockenheit, Harndrang, Schwitzen, Zittern, Lähmung ...

¨ Wie möchte ich am liebsten reagieren?

¨ Wie reagiere ich wirklich? Schreien, Weglaufen, ins Bett vergraben, um mich schlagen, einen Schuldigen suchen, fühllos-reaktionslos werden, nach Hilfe rufen, weinen, lachen, zumachen, nichts mehr wissen wollen, die ganze, Angst wegschieben, mich beruhigen, mich zuerst einmal "stärken", ausflippen, alles festhalten ...

¨ Kenne ich an mir schwache Angstreaktionen und starke Ängste - vom unbehaglichen Gefühl oder Besorgtsein bis hin zur maßlosen Panik?

¨ Gibt es Situationen, wo die Angst ohne erkennbare Ursachen auftritt?

¨ Ist manchmal die Angst viel größer als die Bedrohung?

¨ Kann ich vor lauter Angst krank werden?

¨ Weiß ich, was mit „Angst vor der Angst“ gemeint ist?

Gesunde und kranke Angst

Vielleicht spüren wir bei der Befragung unserer Ängste etwas davon, dass es "gesunde" Angst und "kranke" Angst gibt,

Gesunde Angst oder "Primärangst" tritt in der Situation der Bedrohung auf und ist in der Stärke dieser angemessen. Immer dann, wenn eine wichtige Primärangst aus äußeren oder inneren Gründen nicht akzeptiert, nicht bearbeitet und nicht beantwortet werden darf, ist das ein Anlass, dass sie sich an unerwarteter Stelle mit unangemessener Stärke und manchmal verkappt als körperliche oder psychische Krankheit wieder meldet.

Je häufiger und massiver Ängste unterdrückt und verdrängt werden müssen, umso stärker stören krankhafte "Sekundärängste" das Leben eines Menschen. So können Panikattacken entstehen, völliges Durchdrehen, überspringende ansteckende Angst, körperliche Krankheiten an Organen der Angstwahrnehmung, Suchtentstehung (weil die Ängste nicht mehr "ohne" ertragen werden können), Depressionen und suizidale Entwicklungen.

Ängste können also sehr gefährlich werden, obwohl sie uns eigentlich helfen wollen, den Gefahren unseres Lebens zu begegnen, ihnen - mit Herzklopfen zwar - ins Auge zu sehen, unsere, Situation realistisch einzuschätzen und mit aller verfügbaren Kraft einen Weg einzuschlagen, auf dem wir unser Leben davonbringen und sogar weiterbringen.

Angst lässt reifer werden

Menschliche Reifung geschieht in Kindheit und im Jugendalter, aber auch später (spontan und therapeutisch begleitet) in der Auseinandersetzung mit der Angst.

Die Fähigkeit, Vertrauen zu haben, wächst an der Auseinandersetzung mit der Verlustangst gegenüber der eigenen Person oder der Bezugsperson. Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, lernen Menschen in der Angst vor dem Erwachsenwerden. Das Annehmen einer begrenzten Zeit und der Veränderung und Alterung alles Lebendigen lernt der Mensch an der Angst vor der unbekannten Zukunft. Und die Angst vor dem Festgelegtwerden schafft erst die Einsicht, dass Grenzen und Ordnungen für das menschliche Miteinander nötig sind.

Darum ist es nicht wünschenswert - und darüber hinaus auch eine Illusion angstfrei leben zu wollen! Ein Ziel für mein Leben könnte es sein - und ich meine, das hat Gott auch in unser Wesen hineingelegt:

¨ Erstens, mit meinen Ängsten leben zu lernen, ihre warnende Funktion zu nutzen im Wahrnehmen und Beantworten der Angst.

¨ Zweitens, an meinen Ängsten zu lernen und zu reifen (zum Beispiel Vertrauen lernen, Realität ertragen, Konflikte lösen und Grenzen respektieren lernen).

Wie gut ist es, bei diesem Leben mit der Angst den Zuspruch unseres Herrn zu kennen: ... ich bin bei dir".

Annegret Klaiber in “unterwegs- Zeitschrift der evangelisch-methodistischen Kirche“ 6/99

 

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